Saturday, November 20, 2010

Wikipedia, mein Wissen - bitte spenden!

Ich möchte den Spendenaufruf des Wikipedia-Gründers Jimmy Wales so nachdrücklich wie möglich unterstützen. Auch wenn Wikipedia nicht in jeder Hinsicht optimal ist, so ist sie doch für mich inzwischen zur häufigstgenutzten Wissensquelle geworden. Innerhalb kürzester Zeit findet man die Bedeutung von Begriffen, schlägt eine Formel nach oder stellt Querverbindungen zwischen unterschiedlichen Wissensgebieten her. Ich hatte vorher kaum Zugang zu geschichtlichen Daten und Hintergründen, da ich nur wenige Geschichtsbücher zuhause habe und der fünfbändige Brockhaus doch mehr zur Zierde als zum Gebrauch im Wohnzimmer stand. Es war zu umständlich die dicken Bücher aufzuschlagen, wo dann doch nur das Wissen in sehr beschränktem Umfang vorlag und man hatte das Werk vor allem nicht überall zur Verfügung.

Wikipedia hat mein Wissen auf allen Gebieten derartig erweitert, wie es für mich sonst absolut unmöglich gewesen wäre. Da ich ohnehin viel vor dem PC (beruflich und privat), habe ich praktisch jederzeit die Möglichkeit in Wikipedia nachzuschlagen. Würde es Wikipedia nicht mehr geben, so würde mir wirklich etwas abgehen. Deshalb sollten wir die Finanzierung nicht den „anderen“ überlassen. Ich habe in diesem Jahr schon zwei- oder dreimal eine Spende im Umfang von einigen Euro per PayPal überwiesen (PayPal ist für Auslandsüberweisungen unglaublich praktisch, wer’s noch nicht hat, möge darüber nachdenken). Sonst gibt man ja auch schnell ein paar Euro für eine Zeitschrift, ein Buch, und sogar völlig unnötige Dinge aus. Bei Wikipedia ist das Geld meiner Meinung nach aber sehr gut angelegt (damit ich auch morgen noch darin nachschlagen kann – die Betonung liegt hier auf „ich“ für den Fall, dass ihr es nicht tut!).

Neben den vielen Vorteilen hat Wikipedia auch einige Schwachstellen. Die Artikel (vor allem längere) sind teilweise ein Sammelsurium, in dem alle beteiligten Autoren, alles unterbringen wollten. Was dann abgeht ist die durchgehende Linie, der einheitliche Stil. Genau aus diesem Grund kann Wikipedia ein gutes Lehrbuch (z.B. der Physik) nicht ersetzten. In einem guten Lehrbuch setzt der Autor einen bestimmten Stil, eine durchgehende Meinung und hebt die wichtigen Dinge besonders hervor. Diese Dinge gehen unter, wenn zig Autoren daran arbeiten und sich gegenseitig in der Wichtigkeit der Beiträge überbieten – und das darf man nicht vergessen – die fleißigsten Autoren schreiben sicher aus einem Ehrgeiz heraus, der auch das Wichtigmachen einschließt.

Außerdem erscheinen mir die englischen Artikel – abgesehen davon, dass sie meist ausführlicher sind – auch um einiges klarer als die deutschen Beiträge. Ich glaube das liegt aber an einer länderspezifischen Eigenheit. Die US-Amerikaner haben die Tendenz alles möglichst einfach auszudrücken. Das mag daher kommen, dass das Land ein Schmelztiegel verschiedensprachiger Einwanderer ist und man mit komplizierter Sprach und langen geschachtelten Sätze wohl nicht sehr weit kommt. Die deutsche Sprache und Kultur neigt hingegen dazu, alles möglichst kompliziert und umfassend womöglich noch dazu in einem Satz (oder einer Abbildung oder einer Formel) zu formulieren. Dies ist mir schon bei vielen Wikipedia Artikel aufgefallen.

Der Schweizer Historiker Peter Haber studierte die Mängel von Wikipedia-Artikeln über historische Ereignisse. Er wies darauf hin, dass die wirklichen Fachleute zuwenig Zeit hätten um ihr Wissen noch zusätzlich in Wikipedia wiederzugeben, den die publizieren ohnehin in Fachzeitschriften oder Büchern. Daher wird Wikipedia in erster Linie von interessierten und engagierten Laien geschrieben, die relativ viel Zeit hätten. Durchsetzen wird sich in Wikipedia der Autor, der mehr Zeit zum Ändern zur Verfügung hat. Dies sei aber kein Grund auf Wikipedia zu verzichten. Siehe Wikipedia: Zwischen Wissen und Besserwisserei_derstandard.at
Zum Teil in diese Richtung geht auch ein älterer Beitrag in der Tageszeitung der Standard mit dem Titel „Wikipedia steckt in der ersten Krise“, wo vom „Krieg der Editoren“, „Widerstand gegen neuen Content“ und von „Diskussionen statt Neuerungen“ gesprochen wird. Da dieser Artikel nicht mehr abrufbar ist, hänge ich ihn unten an.
Manchmal wird die Qualität von Wikipedia-Inhalten bezweifelt. Doch hier ergab ein Vergleich, dass die Fehlerrate gleich oder sogar geringer ist als in renommierten Enzyklopädien wie „Encyclopaedia Britannica“. Siehe Wikipedia fast so genau wie Encyclopaedia Britannica_www.spiegel.de .

PS: Wikipedia wird ausschließlich durch Spenden und nicht durch Werbung finanziert. Ca. 30 Mitarbeiter sind bei Wikipedia angestellt, wofür 40% des zur Verfügung stehenden Etats aufgehen. Mehr Details sind unter Wikipedia_de.wikipedia.org zu finden.

PS: Beim Umgang mit Wikipedia besteht die Gefahr relativ ineffizient zu arbeiten, weil man sich sehr leicht in der Vielfalt der Information verliert und in andere Bereichen abdriftet. Eine sehr schöne Überzeichnung dieser Gefahr und auch der Tatsache, dass sich die Informationen ziemlich schnell verändern können wird in einem Video dargestellt, das mir sehr gut gefällt: Professor Wikipedia_youtube

Anhang
Der folgende Standard-Artikel vom 5. 8. 2009 ist online nicht mehr verfügbar und wird daher hier wiedergegeben:
Wikipedia steckt in der ersten Krise
Strategiewechsel, Eintrittsbarrieren und Mangel an Contentlieferanten
Die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia ist innerhalb kürzester Zeit zur
meistzitierten Quelle der Welt geworden. Klassische Nachschlagewerke,
wie etwa Brockhaus, hatten das Nachsehen. Doch nach dem
kometenhaften Aufstieg, scheint der Höhenflug erst einmal gestoppt. Die
Frage lautet nun: Steckt Wikipedia in der Krise oder ist es nur ein kleiner
Durchhänger?
Neulinge nicht mehr willkommen?
"Es ist leicht zu behaupten, dass Wikipedia für immer da sein wird, aber
wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass dies bei Weitem nicht so
sein muss", so Ed Chi vom Palo Alto Research Center gegenüber New
Scientist. Der Strategiewandel der letzten Zeit, der dazu führte, dass es
Neulingen immer schwerer gemacht wird an der Online-Enzyklopädie
mitzugestalten, könnte sich negativ auf die Qualität des Angebots
auswirken, so Chi.
PR-Paradies und Zensur
Eines der größten Probleme für Wikipedia sind die Content-
LieferantInnen. Wer stellt Qualität sicher? Wie kann verhindert werden,
dass sich ausschließlich PR-Unternehmen und Lobbyisten auf den Seiten
austoben und damit von einer ausgewogenen, objektiven Haltung nicht
mehr geredet werden kann? Welche Inhalte müssen gelöscht werden und
wo beginnt die Zensur? Warum sollten AnwenderInnen weiterhin ihre
Zeit in Wikipedia investieren, wenn die internen Strukturen immer
beschränkender werden und es keinerlei finanzielle Abgeltung gibt? Die
Online-Enzyklopädie kann somit durchaus exemplarisch für die
Herausforderungen von Anwender-generiertem Content herangezogen
werden. Qualität kostet Geld - auch im Internet und auch bei kostenlosen
Angeboten.
Wikipedia startete 2001 und schaffte sehr schnell einige Millionen Artikel.
Im Jahr 2006 wurden monatlich rund 60.000 Artikel veröffentlicht,
seither ging es zeitweise steil bergab. Derzeit wird gerade einmal ein
Drittel dieses Rekordwertes erreicht, meldet New Scientist. Zudem fanden
die Wissenschaftler vom Palo Alto Research Center bei ihren
Untersuchungen heraus, dass sowohl die Zahl der Editierungen als auch
Anzahl der aktiven Editoren deutlich gesunken ist.
Der Krieg der Editoren
Die Kräfteverteilung innerhalb der Wikipedia-Strukturen hat sich in den
letzten Jahren massiv verändert und dies nicht zum Vorteil, meint Chi.
Von den "gewöhnlichen" ContentlieferantInnen, die unregelmäßig
partizipierten, eindeutig in Richtung der besonders aktiven und in
regelmäßigen Abständen Teilnehmenden. Darin ortet Chi einen Trend der
NeueinsteigerInnen, aber auch die "zeitweise Partizipierenden", die nur
eine Editierung im Monat durchführen, an den Rand drängt und immer stärker ausschließt.
Widerstand gegen neuen Content
Ein Viertel aller Einträge die diese "occasional Editors" anlegten, wurden
wieder gelöscht oder deutlich verändert. 2003 lag dieser Wert noch bei
rund 10 Prozent. "Das ist ein Beweis für den wachsenden Widerstand
gegen neue Content innerhalb der Wikipedia-Community", so Chi.
Langfristig gesehen, würden mit dieser Strategie keine neuen Editoren
gewonnen werden können, die dann aber fehlen, wenn es dringend
notwendige Korrekturen gibt beziehungsweise Vandalismus bekämpft
werden muss. "Dies wird einen deutlichen Qualitätsverlust im Laufe der
Zeit mit sich bringen", warnt Chi.
Diskussionen statt Neuerungen
Aus Sicht der Wissenschaftler dürfte die unglaubliche Größe von
Wikipedia dazu führen, dass nicht mehr so sehr über neue Inhalte und
die Verbesserungen existierender Artikel diskutiert wird, sondern sich die
Community in Diskussionen um einzelne Edits verliert.
Im Zentrum des Interesses
Die vorab veröffentlichten Ergebnisse der Untersuchungen von Chi und
seiner KollegInnen führten zu einiger Aufregung und teilweise heftigen
Diskussionen. Chis Argumente seinen nur eine mögliche Sichtweise der
Entwicklungen, die sich jedoch auch als Vorteil und richtungsweisend für
die Zukunft deuten ließen. Die große Anzahl an entfernten Beiträgen
könnte sehr wohl auch durch das immer stärkere "Spamming" durch
Unternehmen mit PR-Texten oder Links auf Unternehmenswebseiten
erklärt werden. Nähere Untersuchungen und weitere Ergebnisse werden
von Seiten zahlreicher ExpertInnen angekündigt. Auch wenn das
Interesse der AnwenderInnen gesunken sein sollte, die Wissenschaft hat
Wikipedia nun als Forschungsgegenstand für sich erkannt.(Gregor
Kucera, derStandard.at, vom 5.8.2009)

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